Die Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll stellt Regierungen weltweit vor große Herausforderungen und birgt unkalkulierbare technische und finanzielle Risiken.
Auch 70 Jahre nach Beginn des Atomzeitalters hat kein Land der Welt eine wirkliche Lösung für die strahlenden Hinterlassenschaften der Atomkraft gefunden. Bisher hat kein Land der Welt ein Endlager für hochradioaktive Abfälle aus Atomkraftwerken in Betrieb genommen. Auch in Deutschland beginnen derzeit erst neue Planungen. Die größte Herausforderung ist der verbrauchte Brennstoff. Dieser macht zwar nur einen geringeren Teil des Atommülls aus, ist aber wegen seiner hohen und extrem langlebigen Radioaktivität sowie der Hitzeentwicklung der am schwierigsten zu lösende Teil des Problems. Nach Berechnungen im World Nuclear Waste Report – Focus Europe werden alleine in Europa (ohne Russland und die Slowakei) über 60.000 Tonnen abgebrannter Brennstäbe weiterhin nur in Zwischenlagern gelagert.
Zudem stellen die unterschätzten Kosten für Zwischen- und Endlagerung ein großes finanzielles Risiko für die Steuerzahler dar. Denn Regierungen und Betreiber unterschätzen die Kosten für die Stilllegung sowie Lagerung und Entsorgung von Atommüll oft erheblich. In vielen Ländern klafft eine große Lücke zwischen den zu bewältigenden Kosten und den Finanzmitteln, die dafür eingeplant sind.
Weil Endlager noch nicht gebaut sind, müssen immer größere Mengen an hochradioaktivem Müll für immer längere Zeiten zwischengelagert werden. Das Problem ist, dass diese Zwischenlager auch unter Sicherheitsaspekten nicht für eine derart langfristige Nutzung konzipiert wurden. Obendrein stoßen die Zwischenlager zudem bereits heute an die Grenzen ihrer Kapazitäten. So ist beispielsweise das Lager für abgebrannte Brennstäbe in Finnland bereits zu 93 Prozent ausgelastet.
Hintergrund: Der erste World Nuclear Waste Report – Focus Europe gibt einen Überblick über die globalen Herausforderungen, die wachsende Mengen von Atommüll mit sich bringen. Er wurde von der früheren Europaabgeordneten Rebecca Harms initiiert und einem Dutzend internationaler Wissenschaftler/innen verfasst. Als Koordinator und Lead Editor habe ich an dem Report mitgearbeitet. Er ergänzt damit den etablierten World Nuclear Industry Status Report, der jedes Jahr von einem Expertenteam um Mycle Schneider herausgeben wird. Diese erste Ausgabe des World Nuclear Waste Reports wird auf Französisch und Tschechisch übersetzt. Die Initiatoren beabsichtigen, eine Folgeausgabe in zwei bis drei Jahren aufzulegen, um Trends und Entwicklungen sichtbar zu machen.